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Ist Lochte gestolpert?

Der Präsident des Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz, Christian Lochte ist entgegen seiner Zusage vom Vortage und Bestätigung im Fernsehen nicht auf der Diskussionsveranstaltung des CCC '88 in der Hamburger Markthalle erschienen. Von der Kripo wurde dem CCC fünfzehn Minuten nach Veranstaltungsbeginn mitgeteilt, daß Herr Lochte "aus sicherheitsrelevanten Erwägungen an der Veranstaltung nicht teilnehmen" könne. Wau Holland schlug vor, daß Lochte über das Telefon an der Diskussion teilnehmen könne.

Mitglieder des CCC bemühten sich sofort, dafür die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Die Kripo, Abteilung Personenschutz, erklärte, sie wolle diese Möglichkelt prüfen. Nach weiteren zehn Minuten wurde dem CCC von der Kripo mitgeteilt, da auch eine telefonische Teilnahme von Herrn Lochte nicht möglich ist. Es gelang nicht, mit dem Eingeladenen direkt zu sprechen. Lochte hatte nach einer ersten Anfrage vor zwei Monaten sofort zugesagt und diese Haltung auch noch kurz vor der Veranstaltung vertreten.

Spontan wurde entschieden, anstelle von Herrn Lochte, den Hamburger Daterschutzbeauftragten Klaus-Henning Schapper um eine Teilnahme zu bitten und damit der bereits laufenden Veranstaltung andere Akzente zu geben. Zwei CCC´ler fuhren umgehend zum Büro des Datenschutzbeauftragen, um ihn persönlich ansprechen zu können. Schapper wäre sofort bereit gewesen, wenn er nicht terminlich verhindert gewesen wäre. Er verwies auf seinen Mitarbeiter Herrn Schaar, der im Zuschauerraurn saß und zu dieser Spontanität laut Schapper sicher bereit wäre. Da wir Herrn Schaar nicht kannten und es zudem schwierig gewesen wäre, ihn im Zuschauergedränge zu finden, sollte ihn die Moderatorin Ute Schäub vom Podium aus zunächst ausfindig machen. Durch ein Mißverständnis ging sie davon aus, daß Herr Schaar bereits zugesagt hätte und bat ihn ohne Vorankündigung auf das Podium.

Dieser wußte überhaupt nicht wie ihm geschah, war aber, unter großem Beifall sofort dabei und erläuterte den anwesenden eindrucksvoll Hintergründe zur Digitalisierung des Fernsprechnetzes (ISDN). Damit war nicht nur für die Anwesenden Teilnehmerinnen, sondern auch für die insgesamt fünf anwesen Fernsehteams die Veranstaltung gerettet. Wir werden uns bemühen, die von Herrn Schaar vorgetragenen Fakten vom Datenschutzbeauftragten zu erhalten und in die Netze zu geben.

Auch Prof. Brunnstein hatte einen interessanten Auftritt. Er forderte den CCC massiv auf, klare Positionen zu beziehen und über inhaltlichen Ziele Auskunft zu geben. Brunstein sagte. Hacker könnten mit dem unberechtigten Eindringen in Computersysteme wissenschaftliche Forschung gefährden. Der CCC- Slogan "private Daten schützen, öffentliche Daten nützen" klinge zwar plausibel, dennoch müsse Datenschutz für alle juristischen Personen gelten, für Privatpersonen genauso wie für Firmen unterschiedlicher Größenordnung.

Wau Holland erklärte, daß Datenschutz selbstverständlich auch für Unternehmen gelte. Diese Betriebsgeheimnisse seien grundsätzlich auch zu respektieren. Allerdings gäbe es genügend Beispiele. wie unter dem Deckmantel der Betriebsgeheimnisse Informationen geheimgehalten werden, die in die Öfrentlichkeit müssen, damit sich der Einzelne beispielsweise auf gewisse Umweltgefährdungen in einstellen kann. Im CCC werde auch nicht jeder Hack veröffentlicht, von dem man Kenntnis bekommt. Auch "stille Beerdigungen" sicherheitsrelevanter Unregelmäßigkeiten in Computersystemen gehören zur Praxis im CCC. Die Hackerethik ist die geistige Basis, um in diesem Spannungsfeld zwischen notwendiger Geheimhaltung und Informationspflicht handeln zu können. Es sei längst überfällig, neue Wege im Umgang mit weltweit verschalteten Computernetzen und deren Gebrauchs- aber auch Mißbrauchsmöglichkeiten zu finden. Die Hacker, die sich als Wissenschaftler ohne akademischen Titel verstehen, haben das Problem erkannt und mehr als Dialogbereitschaft bewiesen.

Hans Giss, Herausgeber der Fachzeitung Datenschutzberater (HandelsblattVerlag), erläuterte die Probleme der Datensicherheit. An die Adresse Professor Brunnstein gerichtet, meinte Gliss, daß gerade er als Informatiker dazu beitragen könne, da mit dem Zielkoriflikt zwischen einerseits notwendigem offenen Informationsaustausch in der Wissenschaft und den Belangen der Datensicheiheit fachgerecht umgegangen wird.

Während der Veranstaltung bemühten sich Mitglieder des CCC eine Videoaufzeichnung des am Vortage bei SAT 1 gesendeten Gesprächs zwischen Lochte, und Wau Holland zu beschaffen. Auf diese Weise konnten die Einschätzungen eines maßgeblichen Vertreters des Verfassungschutzes in die Veranstaltung einfließen. Wau Holland nannte den Verfassungschutz in diesem Gespräch eine "Verwaltungsbehörde, die sich als Nachrichtendienst tarnt".

 

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